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Ein Kabarettist wie Richard Rogler (…nicht ganz unbekannt) sorgte bei den Ruhrfestspielen 2006  in Recklinghausen für glänzende Unterhaltung, indem er Folgendes zum Besten gab: „Eine Viertelstunde Lachen hat die gleiche Wirkung wie vier Stunden Nordic Walking, sieht aber nur halb so scheiße aus“ (Recklinghäuser Zeitung / 16. Mai 2006). Bei den diesjährigen Ruhrfestspielen  (2008) hat er selbigen Witz   noch einmal  zum Besten gegeben.  Es ist anzunehmen, dass er es im nächsten Jahr  wieder tun wird. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR III)  gab ihm dazu noch die Chance, sich vor einem Millionenpublikum in gleicher Weise über Nordic Walking auszulassen. Das passierte in der Sendung Kabarett & Co. am 10. Mai 2008.  Nordic Walking,  ein Hit fürs Kabarett?  Kennen Sie den schon?  

Es  scheint vollauf im Trend zu liegen,  gegen  Nordic Walking Stimmung zu machen.  So auch  „Das Walker-Hasser Manifest - Warum muss ein ganzes Volk am Stock gehen?“  von Achim Achilles (SPIEGEL ONLINE).  „Was als Trend begann, ist zur Volksseuche geworden: das Walken. Die Fans dieser Schleichbewegung  hängen auch noch dem Irrglauben an, die slow - motion am Stock habe irgendetwas mit Sport zu tun. Achim Achilles hat den Wahnsinn von Anfang an durchschaut und sich den Kampf gegen das Walken auf die Fahne geschrieben. In seinem aufrüttelnden Buch enthüllt er endlich die ganze Wahrheit über unfassbare Freizeitvergeudung, systematische  Volksverdummung und ihre schrecklichen Folge […] Als der liebe Gott den Menschen erschuf, unterteilte er ihn in drei Klassen. Die Guten waren jene, die aufrecht und ohne Hilfe laufen konnten. Die weniger Guten erhielten einen Knüppel als Stütze und wurden Golfspieler. Der jämmerliche Rest bekam zwei Stöcke und schlurft seitdem als Nordic Walker durch die Grünflächen. Walker sind die Schöpfungsverlierer.“  

DER SPIEGEL  meint,  von einem „etwas albern wirkenden Modesport“ (Nr. 26  / 2006) sprechen zu müssen. 

Oder im  STERN: Da wurden Nordic Walker als Prototypen der „modernen“ Spießer abqualifiziert. „Abends geht er durch den Park. Und zwar im Stadtpark. Das nennt sich Nordic Walking und verspricht die Aktivierung der Arm- und Rückenmuskulatur. Diese albernmöglichste Art zu gehen ist unter Deutschen ebenso beliebt, wie der  Coffee to go Quatsch. Ein unter Not leidender finnischer Hersteller von Langlaufstöcken hat vor Jahren den Modesport erschaffen, der seinen Anhängern bestenfalls nicht schadet. Alle walken sie jetzt nordic. […] Gestatten: Hier kommt der NDS: der Neue Deutsche Spießer. An Stöcken durch den Stadtpark laufen und dabei voll bekloppt aussehen: Das muss man wirklich nötig haben.“ (Quelle: Stern, Nr. 48, 2007).

GEO WISSEN (2007 / 39) schlägt in die gleiche Kerbe: „Der Anblick nordisch gehender Menschen wirkt extrem komisch, weshalb Nordic Walker auch immer in Gruppen unterwegs sind, um sich nicht alleine der Lächerlichkeit preiszugeben. Etwa eine halbe Stunde bevor man sie sieht, kann man sie hören. Mit einem metallischen klick klick klick bahnen sie sich ihren Weg.“ […] „Noch ist nicht ganz geklärt, ob Nordic Walking als Ausdauersport oder Nötigung angesehen werden muss. […] Grundsätzlich muss man sagen, dass der Mensch mit Nordic Walking das Ende seiner sportlichen Entwicklung erreicht hat. Wenn es erst einmal so weit gekommen ist, dass gesunde Menschen glauben, sie brächten zwei Stöcke, um nicht umzukippen, dann wird man ihnen bald auch einreden können, das Gehen mit vier Stöcken noch sicherer und gesünder sein kann.“ 

 „Schluss mit Nordic Walking“ heißt es nun bei ZEIT WISSEN / 04 - 08: „Wer mit Stöcken durch die Gegend wandert, gilt als gesundheitsbewusst. Dabei ist der Sport nicht effektiver als ein Spaziergang. Er birgt sogar Risiken.“ ZEIT WISSEN meint nun, dass die Deutschen unter einer Präventionspsychose leiden. Anders sei nicht zu erklären, warum unsportliche Menschen „freudestrahlend Geld zum Fenster hinauswerfen…um ihre Karbonfaserstöcke in der Gegend herumzutragen und das Ganze auch noch Sport nennen.“ Parallel zur Zahl der Nordic Walker wachse auch die Zahl der Studien, „die dem Trendsport bestenfalls Effektneutralität bescheinigen. Im Vergleich zum normalen Gehen entlastet Nordic Walking demnach weder Knie noch Füße, stärkt weder Rumpf- noch Beinmuskeln und befördert weder Kreislauf noch Sauerstoffaufnahme in besonderer Weise.“ Wenn die Technik dann auch noch falsch angewendet wird,  „und das tun rund 90 Prozent“, dann ist das Gehen am Stock sogar mit Risiken verbunden.  Wer annimmt, dass das irgendwie Privatsache sei, wird in ZEIT WISSEN eines Besseren belehrt:  „Denn nicht nur die Nordic Walker selbst zahlen für den Quatsch, er wird längst auch von den gesetzlichen Krankenkassen samt Beitragszahlern gefördert.“ 

Das alles ist starker Tobak. Bei  allem Spott, aller Häme  und   Kritik an bestimmten Erscheinungsformen dieser Sportart - was zum Teil ja seine Richtigkeit hat  -   werden doch nur Vorurteile bestätigt und   zudem geschürt, die in weiten Teilen der Bevölkerung per se vorhanden sind.   Darüber hinaus  wird einem  Image das Wort geredet, das viele davon abhält, sich mit diesem Sport ernsthaft  zu beschäftigen. Dabei handelt es sich in erster Linie um  sportlich interessierte Männer und Frauen, vor allem aber junge  Leute. Bei  Männern sind es  immerhin 75  %. Auf die Frage, was sie von Nordic Walking halten, sagen 19 % der Männer bei einer Umfrage: „Ist eine eher für Frauen und ältere Leute geeignete Sportart“, 18 % antworten: „Bringt nicht viel und sieht nur albern aus“  (FORSA).  Nordic Fitness zitiert eine Umfrage der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK): Männer zu 45% / Frauen zu 25 %: „Würde mir blöd dabei vorkommen“. 

Das alles ist   mehr als  bedauerlich und wird dem Sport in keinerlei  Weise gerecht. Was spricht  dagegen,  die Leute mit  einer  „sanften Wohlfühltechnik“ zu motivieren, sich  zu bewegen? Hauptsache ist doch, dass sie sich  bewegen. Den   Krankenkassen kann  es nur recht sein. Über Einzelheiten der Technik lässt sich  immer noch sprechen. Es existiert jenseits von Kabarett und Co. eine Welt von Nordic Walking, die es sich durchaus lohnen würde, zu thematisieren. Dazu gehören  die Bemühungen der Fachverbände (DNV, NWU, u. a.) zur Vereinheitlichung der Qualitäts- und Technikstandards  ebenso, wie  Überlegungen zur Weiterentwicklung der Technik.  Nordic Walking ist eine relativ junge Sportart, die  in ihrer technischen Entwicklung  keineswegs abgeschlossen ist.  Es gibt  unterschiedliche Technikansätze  und nach wie vor stellt sich  die Frage, ob es sich bei Nordic Walking um ein Bewegungskonzept handelt oder  um einen ernst zu nehmenden Sport (…oder beides). Hier  wird Nordic Walking  als  ein durchaus ernst zu nehmender Sport  begriffen, sportlich attraktiv, technisch anspruchsvoll und wirkungsvoll  in seinen  trainingsspezifischen Effekten. 

SPIEGEL und STERN, ZEIT-  und GEO WISSEN, dazu ein Kabarettist, eine  merkwürdige Allianz, die da gegen Nordic Walking  mobil gemacht hat.


Richard Paetzold